Dialogreihe Zielkonflikte in innerstädtischen Quartieren aus Sicht des Immissionsschutzes

Ausgangssituation und Zielsetzung:

Wohnen, Arbeiten, Freizeit - diese Bereiche rücken auch in nordrhein-westfälischen Städten immer näher zusammen. Der Druck auf die nur begrenzt vorhandenen Flächen wächst und damit steigt die Konkurrenz um die unterschiedliche Flächennutzung. Dadurch kommt es häufiger zu Zielkonflikten, die sich aktuell durch die Nachverdichtung der Innenstädte weiter verstärken.

Hier steigen für die Kommunen die Anforderungen an ein Konfliktmanagement. Die Möglichkeiten des vorhandenen Instrumentariums müssen dafür besser genutzt und ggf. sogar erweitert werden.

Zum Umgang mit solchen Konflikten hat das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen deshalb - in Kooperation mit dem Städtetag NRW - in den letzten zwei Jahren eine „Dialogreihe Zielkonflikte“ ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt standen dabei die Themen „Lärm: Freizeit-, Sport- und Gewerbelärm“ und „Anlagensicherheit: Abstände zwischen Industrie/ Störfallbetriebsbereichen und Wohnen“. Ziel war es, die relevanten Akteure für das Thema zu sensibilisieren und gleichzeitig die Handlungsmöglichkeiten möglichst umsetzungsnah auszuloten.

Interaktive und dialogische Vorgehensweise:

Zur „Dialogreihe Zielkonflikte Lärm und Anlagensicherheit“ wurden Fachexperten, Beteiligte und Betroffene unterschiedlicher Disziplinen und Institutionen, wie Ministerien, Kommunen, Planungsämtern, Verbänden, Industrie, Fachwissenschaft etc. eingeladen, um mit ihren unterschiedlichen Interessenlagen, Sichtweisen und Lösungsansätzen miteinander in den Dialog zu treten.

Sie erhielten die Gelegenheit, in moderierten interaktiven Dialogformaten Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen. Auf dieser Basis können Problemlagen konkreter identifiziert, vorhandene Erfahrungen vielfältiger genutzt und Handlungsempfehlungen passgenauer formuliert werden - so das Vorgehenskonzept.

Über ihre Beiträge konnten die Teilnehmenden darüber hinaus auch den thematischen Verlauf und damit die Ergebnisse bzw. den Erfolg der Dialogreihe maßgeblich mitbeeinflussen.

Workshop-Formate für Erfahrungsaustausch und kreative Lösungsideen:

Aufgespannt in einem Rahmen zwischen einer gemeinsamen Auftakt- sowie Abschlusskonferenz fanden je zwei Einzelkonferenzen zu jedem Schwerpunktthema (Lärm bzw. Anlagensicherheit) statt. Zusätzlich gab es mehrere arbeitsthemenspezifische Arbeitsgruppentreffen, die - zum Zweck der Auswertung und der Vorbereitung der Abschlusskonferenz - in eine ebenfalls gemeinsame Zwischenkonferenz mündeten.

Die Konferenzen, die teilweise als Präsenz- und - durch die Pandemie-Lage bedingt - in der Folge auch als Online-Veranstaltungen angeboten wurden, waren geprägt von interaktiven und dialogorientierten Workshop-Formaten. Kreative Pinnwand-Vorlagen und abwechslungsreiche Dialogmöglichkeiten mit Elementen u.a. aus World-Café, Open Space und Appreciate Inquiry[1] wurden gerne von den Teilnehmenden aus allen Bereichen genutzt, um miteinander in einen anregenden Erfahrungsaustausch und zu praxisorientierten Lösungsideen zu kommen. Wesentlicher Bestandteil des Erfahrungsaustausches waren Good Practice-Beispiele aus verschiedenen Kommunen.

Aus den vielfältigen Lösungsideen leiteten die Teilnehmenden schließlich - ebenfalls gemeinsam und im gegenseitigen Dialog - konkrete Handlungsansätze für die Praxis ab, die auf dem bereits vorhandenen Instrumentarium basieren.

[1]

World-Café: Methode um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen um verschiedenen Sichtweisen auf ein Thema und verschiedene Herangehensweisen voneinander kennenzulernen. Es geht darum, möglichst alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen, gemeinsame Ziele und Strategien zu finden und dadurch ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an den Veränderungsprozessen in ihrem Sinne zu wecken. (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/World-Caf%C3%A9)

Open Space: Methode der Großgruppenmoderation zur Strukturierung von Konferenzen. Charakteristisch ist die inhaltliche Offenheit: Die Teilnehmer geben eigene Themen ins Plenum und gestalten dazu je eine Arbeitsgruppe um mögliche Projekte zu erarbeiten. (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Open_Space)

Appreciate Inquiry ist ein werteorientierter Ansatz aus der Team- und Organisationsentwicklung, der eine wertschätzende und affirmative Grundhaltung in Teams, Organisationen oder Gemeinwesen fördert, in der die wertschätzende Befragung (oder Erkundung) ein zentrales Element bildet. (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Appreciative_Inquiry

Die Ergebnisse:

Zum Schwerpunktthema Lärm wurde eine Handreichung „Handlungsempfehlungen Lärm zum Umgang mit Gewerbelärm bei heranrückender Wohnbebauung“ erarbeitet. Kernelement darin ist ein Maßnahmenkatalog für Kommunen zur Prüfung konkreter Lärmschutzmaßnahmen für Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren. Er stellt eine Prüfkaskade mit möglichen Schutzvorkehrungen bei heranrückender Wohnbebauung dar. Zu den Maßnahmen sind jeweils die Rechtsgrundlage und die Rechtsprechung sowie die Vor- und Nachteile benannt.

In Bezug auf das Schwerpunktthema Anlagensicherheit, das sich aus dem Europarecht (Seveso-Richtlinie) ergibt, ist bisher auf kommunaler Ebene noch kein ausreichendes Instrumentarium zum Umgang mit der Problematik und ggf. Einzelfallbetrachtung von angemessenen (Sicherheits-)Abständen zwischen s.g. Störfallbetriebsbereichen und schutzbedürftigen Nutzungen vorhanden. Obwohl viele Kommunen von dieser „Seveso-Problematik“ betroffen sind, verfügen bislang nur wenige davon über Erfahrungen in der Erstellung gesamtstädtischer Seveso-Konzepte. Die in der Dialogreihe neu erarbeitete Handreichung „Basics für Einsteiger“ beinhaltet das Basiswissen zum Thema Anlagensicherheit mit (umwelt-)rechtlichen Grundlagen, Informationsquellen und aktueller Rechtsprechung sowie mit einer Checkliste als konkreter Arbeitshilfe.

Wie geht es weiter?

Neben einer steigenden Anzahl an Teilnehmenden (zuletzt 150) während des eineinhalbjährigen Prozesses der Veranstaltungsreihe, die das Interesse an dieser Art von dialogorientierten Veranstaltungen belegt, wurde sehr einhellig der Wunsch nach einer Fortsetzung des gemeinsamen Dialogs und Erfahrungsaustausches geäußert. Denn das regelmäßige Zusammenkommen der Beteiligten aus mehreren betroffenen Bereichen wie Ministerien, Kommunen, Verbänden, Wirtschaft etc. eröffnet wichtige Möglichkeiten für Vertrauensaufbau, innovative Lösungen und Konfliktmanagement in den Themenbereichen.

Diesem Wunsch soll perspektivisch von Seiten des Ministeriums entsprochen werden, um die vertrauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit auf Grundlage von tragfähigen Dialogmöglichkeiten weiter zu fördern.

Die in der Dialogreihe begonnenen Prozesse werden nun zunächst jeweils auf Fachebene fortgesetzt. Es ist darüber hinaus geplant, das Format der Dialogreihe fortzusetzen.

Kontakt für Rückfragen und weiterführende Informationen zum Dialogprozess:

Ricarda Sahl-Wenzel

Dialogreihe-Zielkonflikte@mulnv.nrw.de.

Weitere Informationen: