Perfluorierte Tenside (PFT)

Perfluorierte Tenside (PFT) sind synthetisch hergestellte, langlebige organische Chemikalien, die in der Natur nicht vorkommen. Sie finden Verwendung bei einer Vielzahl von industriellen Produkten und Prozessen (z.B. bei der Herstellung von atmungsaktiven Textilien). Das Auftreten von perfluorierten organischen Verbindungen in der Umwelt wurde in den 1970er Jahren erstmals beobachtet. PFT werden heute weltweit in Flüssen, in den Weltmeeren, in Tiefseeproben und in der Atmosphäre nachgewiesen.

In NRW wurden im Jahr 2006 im Rahmen eines Forschungsprojektes des Hygieneinstitutes der Universität Bonn außergewöhnliche PFT-Belastungen an Ruhr und Möhne entdeckt. Aufgrund der Bedeutung der betroffenen Gewässer für die Trinkwasserversorgung wurde fach- und behördenübergreifend eine Recherche zu möglichen Eintragungspfaden veranlasst sowie ein systematisches Monitoring eingeleitet. Als Ursache wurden vor allem diffuse Einträge aus landwirtschaftlichen Flächen durch das Aufbringen eines Abfallgemisches identifiziert, das mit stark PFT-belastetem Industriemüll aus Belgien und den Niederlanden vermischt, als „Bodenverbesserer“ deklariert und über einen mehrjährigen Zeitraum auf Feldern der Region ausgebracht wurde. Von diesen Flächen wurden die perfluorierten Verbindungen ins Grundwasser sowie in angrenzende kleine Oberflächengewässer eingetragen und gelangten von dort in die Flüsse Möhne und Ruhr. Deutlich erhöhte PFT-Konzentrationen im Trinkwasser warfen die Frage auf, ob die Belastung des Trinkwassers schädliche Folgen für die menschliche Gesundheit haben könnte.

Durch das Umweltministerium wurde eine enge Zusammenarbeit mit den Landesbehörden, dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Trinkwasserkommission am Umweltbundesamt (UBA) initiiert, da die Stoffgruppe zu diesem Zeitpunkt nicht in der Trinkwasserverordnung geregelt war und auch sonst keine Beurteilungsmaßstäbe vorlagen, ebenso wenig wie belastbare epidemiologische Daten zur Bioverfügbarkeit, Metabolisierung und gesundheitlichen Wirkungen. Nur knapp drei Wochen nach Bekanntwerden der Trinkwasserbelastung jedoch gelang durch die intensive behördenübergreifende Zusammenarbeit die Verabschiedung von Ziel-, Leit- und Vorsorge-Maßnahmenwerten durch die Trinkwasserkommission. Erforderliche Maßnahmen konnten daraufhin durch die Gesundheitsbehörde vor Ort eingeleitet werden, u. a. die kostenlose Abgabe von Mineralwasser für Schwangere und Kleinkinder durch die Stadt Arnsberg. Neben Trinkwasser wurden auch andere Expositionspfade für den Menschen untersucht, darunter auch Fische aus belasteten Oberflächengewässern, Untersuchungen der Muttermilch sowie Untersuchungen von Kuhmilch und Futtermitteln ebenfalls auf PFT.

Zur Beantwortung der Frage, ob die erhöhte Belastung des Trinkwassers mit der PFT-Verbindung Perfluoroctansäure (PFOA) auch zu einer inneren Belastung der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten führte, wurde eine Human-Biomonitoring (HBM)-Studie vom LANUV und der Ruhr-Universität Bochum konzipiert und durchgeführt, unterstützt durch die Gesundheitsbehörden vor Ort. Als besondere Risikogruppe wurden in einer weiteren Studie auch Anglerinnen und Angler untersucht. Diese Studie wurde u. a. auch durch den Fischereiverband aktiv unterstützt. Für die Arnsberger Bevölkerung konnten keine schädlichen Effekte im Human-Biomonitoring nachgewiesen werden.

Mit diesem Beispiel wird die hohe Bedeutung einer ressortübergreifenden und interdisziplinären Zusammenarbeit von Gesundheitsbehörden und Umweltverwaltung, aber auch die Zusammenarbeit, zwischen Kommunalen, Landes- und Bundesbehörden veranschaulicht:

Während die Sofortmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Kreisgesundheitsamtes lagen, konnte die dafür erforderliche Entscheidungsgrundlage erst durch die intensive Zuarbeit von Fachbehörden und die Beratung durch Universitäten erfolgen, die auf Landes- und auf Bundesebene das Know-how im Bereich der Risikoanalyse und -bewertung aufweisen. In der Folge der PFT-Kontamination des Trinkwassers wurden Grenzwerte definiert und Bewertungsmaßstäbe eingeführt. Die interdisziplinäre und ressortübergreifende Zusammenarbeit leistete zudem einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Urheberschaft für die Belastung des Bodenverbesserers durch PFT.

Des Weiteren wurden im systematischen Monitoring im Einzugsgebiet der Ruhr weitere Quellen der Belastung identifiziert, u.a.:

  • Kommunales Abwasser (meist Indirekteinleitungen von Galvanikbetrieben)
  • Abfallablagerungen und Abfallbehandlungsanlagen (CP-Anlagen)
  • Der Einsatz von fluorhaltigen Schaumlöschmitteln bei Bränden oder zu Übungszwecken (auch Bodenkontaminationen ehemaliger Brandstätten oder Übungsplätze) (siehe auch „Programm Reine Ruhr“).

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